Ostern ohne Gemeinden?

Nicht alles ist abgesagt: Wie geht Ostern ohne Gottesdienst? Gemeindliches Leben gehört zur Kernsubstanz des Christentums. Und Ostern ist dessen höchstes Fest. Wie sind die Kirchen im Kandertal mit den historisch einmaligen Beschränkungen während des Osterfestes umgegangen?

Ostern gemeinsam Feiern als Kern christlicher Tradition

Ostern ist der Kern des Christentums. «Ostern», das ist – gemeindepraktisch gesprochen – Gemeinschaft der Gläubigen in der unbedingten Erwartung der Gemeinschaft mit dem Gott, der als Mensch auferstanden ist. Nie zuvor gab es ein Ostern ohne Gottesdienst, ohne Lobgesang, ohne Gemeinschaft. Selbst das «Grosser Gott, wir loben Dich» ist wohl an einem Osterfest entstanden. Das intensive Zusammen-Sein und der gemeinsame Gesang vor Gott, das Lob Gottes, gehört zum fundamentalen Bestand christlicher Gemeinden von Anfang an, seit den Zeiten der Urkirche. Nur eben im «Corona-Jahr» nicht. – Wie haben sich in dieser Situation die Gemeinden im «Frutigland» verhalten?

Traditionelle Kommunikation in Adelboden

Beginnen wir ganz oben, in Adelboden, so zeigen sich dort sofort Grundzüge dessen, was auch in den meisten anderen Kirchen sichtbar wird. Pfr. Trachsel betont mehrere Dinge, die dann auch von vielen anderen geäussert werden:

Man kümmert sich als erstes um diejenigen, die sich am wenigsten selbst helfen können. Das sind vor allem die wirklich alten Menschen, von denen viele überhaupt kein Internet haben. Die Kommunikationsmittel sind das Telefon, der Brief und das distanzkonforme «Gespräch über den Gartenzaun». Und Adelboden ist hier nur Beispiel für viele Gemeinden: Die Reaktionen auf diese ganz traditionellen Kommunikations-Mittel sind stark. Zum Teil kamen seitenlange handgeschriebene Briefe an die Pfarrpersonen zurück.

Des Weiteren setzt man auf Signale. Dies sind meist traditionelle, symbolische Handlungen und Zeichen, die für das Osterfest stehen.

Musik von Kirchtürmen in Aeschi und Krattigen

Ein Beispiel dafür ist die Osterkerze in Aeschi: Physisch wurde sie in der Kirche angezündet, und kurz danach war das Anzünden auch in Internet sichtbar. Und zu allen (abgesagten) ordentlichen Gottesdienstzeiten spielten Bläser in Aeschi und Krattigen von den Kirchtürmen.

Zudem blieben nicht nur in Aeschi und Krattigen die Gotteshäuser zumindest zu gewissen Zeiten geöffnet. Und die Kirchenglocken läuteten zu den üblichen Zeiten: Gründonnerstag 20 Uhr, am Karfreitag 15 Uhr und am Oster-Sonntag um 10 Uhr. Aeschi setzt zudem ausdrücklich auf ein schon jetzt gefestigtes geistliches Leben der Einzelnen, auf die «Bewährung der persönlichen Spiritualität» (Pfr. von Ah).  

Predigttexte per Post in Frutigen

Der eine oder andere ging buchstäblich eigene Wege. So in Frutigen, wo Pfarrer Huber den Weg auf den Dreispitz nicht scheute und seine dann später im Internet verfügbare Osterpredigt als Video vorweg aufnahm.

Doch «Signale-Setzen» und «Kommunikation» gilt auch hier: Pfr. Gantenbein schrieb einen Zeitungsartikel, der u.a. darin mündet, man solle «Engagiert die Spur des Lebens weiterziehen», gerade in diesen schwierigen Zeiten. Und die Jugendarbeiterin Sarah Gyger und ihr Team hatten noch vor Ostern eine Bastel- und Mal-Aktion organisiert. Und alle Frutiger Pfarrer telefonierten mit einsamen Gemeindemitgliedern, versendeten Predigtexte per Post und bedienten die Kirchen-Website immer aktuell.

Und dem Frutiger Pfarrteam ist es wichtig, dass man jetzt den Blick nach vorne richtet: Auf die Zeit, in der man sich wieder persönlich sieht. Die nächsten «echten Gottesdienste» und Aktivitäten sind bereits geplant und klar kommuniziert.

In einer anderen Situation sieht sich die katholische Gemeinde in Frutigen. Eine «sehr kleine Gemeinde» seien sie, sagt Pfr. Singer. Und man hätte die Mühe eigens erstellter Internet-Beiträge nicht auf sich genommen, um so mehr es ja «ausreichend Online-Beiträge» gegeben habe. Doch eine kleine Botschaft hat Pfr. Singer dann doch ins Internet gestellt, und sie reflektiert etwas von diesem ursprünglichen Impuls des Christentums, denn «sich von Mensch zu Mensch zu begegnen, das ist doch noch besser als alle Medien», sagt er dort. Und: «Auch in der modernen Welt ist plötzlich alles vorläufig geworden… und wir haben als christliche Gemeinden keine Übung darin, Kreuz und Auferstehung ohne versammelte Gemeinde zu feiern».

Andachten auf Grossleinwand in Reichenbach

Auch Reichenbach hat keine grosse, jedoch eine weit verstreute Gemeinde. Die Botschaft aller drei Reichenbacher Pfarrerinnen und Pfarrer (Müller, Lemp Staudenmann) sei die des «Irischen Reisesegens» (Pfr.in Staudenmann): «“Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.“ Ein besonderes Schwergewicht in Reichenbach war die Betreuung des Pro-Senectute-Hauses, wo Video-Andachten auf einer Grossleinwand gezeigt wurden.

Und: Nicht alles sei «abgesagt» betont Pfr.in Staudenmann: «Liebe ist nicht abgesagt. Beten und Glauben ist nicht abgesagt. Zuwendung ist nicht abgesagt…»

Telefonseelsorge in Kandersteg

Auch in Kandersteg setzte man – den Zielgruppen angepasst – vorwiegend traditionelle Methoden: Seelsorge und Gespräch per Telefon, Predigten per Post und kleinere Aufmunterungen im Gemeindebrief.

Zudem war in Kandersteg eine gewisse Skepsis gegenüber allzu viel menschliche «hyperaktiv wirkende Selbstdarstellung» (Pfr.in Eichenberger) zu spüren. «Wir bevorzugen das persönliche Gespräch via Telefon und Gartenzaun – mit der vorgeschriebenen sicheren Distanz», meinte die Kandersteger Pfarrerin.

«Nutze Deine Zeit sinnvoll!»

Die freien Gemeinden des Frutiglandes schliessen den Kreis, ohne dass hier eine vollständige Aufzählung möglich ist. In Adelboden ist der «grosse Schulterschluss» spürbar: Auf «Adelboden Info-TV» bieten alle christlichen Gemeinden des Ortes Internet-Übertragungen von Gottesdiensten an, die freilich nur über das dortige Kabelnetz verfügbar sind.

In Frutigen fordert die Gemeinde «Ekklesia» Ihrer Zielgruppe angemessen zum eigenverantwortlichen Handeln in dem Bereich auf, den wir gerne als «Spiritualität» bezeichnen: «Nutze Deine Zeit sinnvoll», heisst es dort. Und unsere besondere Zeit böte auch «aussergewöhnliche Chancen». Und dann wird man konkreter, was man darunter versteht: «Lobpreis. Bibellesen. Ihn Kennenlernen».

Und hier schliesst sich der Kreis: Was alle Gemeinden spüren und formulieren, das macht den Kern dieses «Christ-Seins» aus. Es geht nur gemeinsam. Es geht nicht ohne den, der es erfunden hat. Aber es geht eben deshalb auch jetzt.