402J 043 03A, 10/14/04, 3:22 PM, 16G, 5088x7328 (415+335), 100%, Eakins, 1/120 s, R62.1, G45.6, B68.5

4. Fotofestival Lenzburg: Die Welt in Bildern sehen

Eine Welt durch Fotografie abzubilden, bedeutet nicht, Oberflächen von Objekten oder erste Eindrücke von Menschen oder Beziehungen zu kopieren. Fotografie braucht Perspektive, einen virtuellen Blickwinkel. Es braucht Einsicht.

Das vierte „Fotofestival Lenzburg“ vom 3. September bis 3. Oktober 2021 (Motto: «re:ssources») bietet ein breites Spektrum an brillanten Beispielen für diesen recht komplexen Zugang zur bildenden, zur abbildenden Kunst. Und es ist ein kulturelles Ereignis mit internationaler Ausstrahlung.

Hauptausstellung: Mary Ellen Mark: «The Lives of Women”

Die Hauptausstellung mit international bekannten Fotografen findet im Museum Stapferhaus in der Nähe des Bahnhofs Lenzburg statt. Sie trägt den Titel „The Lives of Women“ und zeigt Bilder der amerikanischen Fotografin Mary Ellen Mark.

Der Blick der renommierten Künstlerin auf die gesellschaftliche Realität ist der einer Zeit- und Situations-Zeugin. Dieser Blick ist warmherzig, mitfühlend, aber gleichzeitig drastisch real und bisweilen sogar hart. Es ist eine „Nahaufnahme“ des Menschen, der trotz widriger Umstände seine Würde findet. Die im Stapferhaus gezeigte Ausstellung («The Lives of Women») bringt viele Arbeiten aus dem letzten halben Jahrhundert zusammen und zeigt eine berührende Vielfalt von Frauen und ihren Schicksalen. Im Stapferhaus sind die Arbeiten noch bis zum 28. November zu sehen.

SONY World Photography Awards

Die große Neuheit beim „Fotofestival Lenzburg 2021“ ist die Open-Air-Ausstellung der preisgekrönten Bilder der renommierten SONY World Photography Awards im historischen und wunderschönen Schlossgarten von Lenzburg. Aber auch zahlreiche andere Orte sind dazu da, erkundet und ihre intimen Botschaften entdeckt zu werden.

Sowohl etablierten als auch aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern bieten die Awards herausragende Möglichkeiten zur Präsentation ihrer Werke. Darüber hinaus werden mit den «Outstanding Contribution to Photography Awards» die weltweit einflussreichsten Künstlerinnen und Künstler, die im Bereich der Foto-Medien arbeiten, ausgezeichnet. Zu den bisherigen PreisträgerInnen gehören unter anderem Martin Parr, William Eggleston, Nadav Kander und Graziela Iturbide.

Elinor Carucci: „Getting closer, becoming Mother:  About intimacy and family“

Nach der Geburt ihrer Zwillinge lernte Elinor Carucci sich selbst und die Welt neu kennen. Die Mutterschaft hatte das Beste und das Schlimmste in ihr offenbart: Freude, Staunen und Glück koexistierten mit Wut, Erschöpfung, Angst sowie Trauer um die Frau, welche sie nie mehr sein würde. Die in dieser Zeit entstandenen Fotografien zeigen den Versuch, die Komplexität der Mutterschaft so ehrlich wie möglich darzustellen.

Caroline Minjolle „Rendez-Vous»

Die in der Schweiz lebende französische Fotografin Caroline Minjolle hat seit 1995 ihre beiden Söhne während eines regelmässigen Rendez-vous fotografiert. Das private Glück schimmert in jeder Aufnahme durch, und die routinierte Wiederkehr einer schrittweisen Entwicklung schafft den idealen Gestaltungsspielraum, der – ähnlich den Ritualen unseres Alltags – sich dann täglich anders und neu mit Leben füllt. Das Ergebnis aus 25 Jahren – letztlich ritualisierten – »Rendez-Vous» ist nun in einem gleichnamigen Fotobuch versammelt und in Ausschnitten während des Fotofestivals Lenzburg zu sehen. Kuratiert wird die Ausstellung, welche im Stadtmuseum Aarau stattfindet, von Daniel Blochwitz, dem neuem Kurator des Fotofestivals Lenzburg.

Sehen und die Dimensionen der Nachdenklichkeit

Neben den oben erwähnten ästhetischen Grundreflexionen zum Sehen, Wahrnehmen und Produzieren bildender Kunst lädt das Festival mit großem Ernst und Glaubwürdigkeit dazu ein, über das Verhältnis von Gesellschaft und expandierender Bilderwelt nachzudenken.

Außerdem verbindet es Menschen jeden Alters (es gibt sogar ein Kinderprogramm) und bringt sie in Kontakt mit Experten der regionalen und internationalen Fotografie. Damit zeigt es nicht nur „l’art pour l’art“, sondern bietet der Fotografie eine Plattform zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen. Und obwohl das Festival groß und komplex genug ist, um nicht nur sein Thema abzudecken und die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zu ziehen, behält es seine fast familiäre, oft geradezu intime Dimension.

Nicht oft findet man visuelle Eindrücke („Bilder“), die das Potenzial haben, den Betrachter beim Erleben ihres Inhalts zu verändern. Das Lenzburger Fotofestival schafft dafür die Möglichkeit.

Fotofestival Lenzburg