Wäre „geplant planlos“ eine Alternative für Zürich?

Geht eine Stadt ohne Planung zugrunde? Das Beispiel Zürich.

Wie heisst die Stadt, in der seit 1949 ununterbrochen gebaut wird? Von der man oft den Eindruck gewinnt, sie bestünde geradezu nur aus Baustellen und für die man in manchen Teilen einen SUV braucht, damit man ihre maroden Strassen unbeschadet übersteht?

Frankfurt am Main.

Die Stadt ist im Innenstadtbereich nicht grösser als Zürich, hat aber deutlich mehr Einwohner. Seit den 50er Jahren, wo sie noch etwas über 500’000 Einwohner hatte, ist sie horrend gewachsen, obwohl in ihrem eigentlichen Zentrum nur einige Hundert Menschen leben. Heute wohnen rund 748’000 Menschen innerhalb des Stadtgebietes. Rund 51% ihrer Einwohner haben Migrationshintergrund, die traditionellen Hessen mit dem weichen Dialekt («mir hawwe bei Resche feuschte Waldwesche») sind die Minderheit.

Nun hat Matthias Daum («Die Zeit» Schweiz) einen bemerkenswerten Artikel über Zürich veröffentlicht: «50’000 Menschen sollen im Jahr 2040 in Zürich leben». Er ist untertitelt: «Kann die Stadt dieses Wachstum verkraften?». Im Kern geht es um die geradezu fiebrige Politisierung der planerischen Debatte um die Wachstumsperspektiven der Stadt Zürich für die nächsten 20 Jahre.

Als jemand, der nicht nur fast 20 Jahre in und um Frankfurt gelebt hat, sondern in einer bestimmten, kleineren Phase in den 80ern sogar dessen Planungen öffentlichkeitswirksam begleitet hat, darf ich sagen: «20 Jahre, das ist übermorgen».

Doch was die Zürcher Planungen angeht, so klingt zunächst alles, als ob das voraussichtliche – aus der Aussensicht eher moderate – Wachstum der Stadt die Wirkung einer gegebenenfalls ideologisch begründeten Debatte wäre. Doch wer wüsste nicht, dass Zürich als Finanzplatz und Wirtschaftsstandort weltweiten Ruf geniesst. Wirtschaftlich gilt es fast als die geheime Schweizer Hauptstadt. Und so könnte eigentlich die politische Diskussion über das «zukünftige Zürich» viel eher um dessen globale Funktionen in einem eidgenössischen Gefüge gehen.

Und so erscheint aus der Aussensicht die Debatte um Zürichs Wachstumsperspektiven, die in dem Artikel detailgenau gespiegelt wird, und ihre planerischen Grundlagen einerseits politisch unnötig aufgeheizt. Andererseits seltsam «un-visionär», und aus der wirtschaftlichen Sicht auch ein wenig am «Thema vorbei».

Die Planer, so Daums Artikel, scheinen im Grunde eher auf die rasante Veränderung der Rahmenbedingungen zu reagieren («alles in allem eine Reaktion»), als visionär zu agieren. Den Planungen fehle, so Daum, die «Widerborstigkeit», etwas anstössig Visionäres also. Nein, im Grunde fehle den Planungen so recht eigentlich etwas, worüber sich wirklich zu diskutieren lohne.

Und so entgleist die politische Diskussion darüber in Uneigentlichkeiten: Es krassiert auf der einen Seite das Gespenst von der «sozialistischen Enteignung» und auf der anderen Seite fantasiert man von flächendeckenden Tempo-30-Zonen. Architektonisches, Stadtplanerisches, Wirtschaftliches, Soziologisches und Energietechnisches tritt in den Hintergrund. Und es sind Tausende von Einsprachen anhängig.

Letztlich ist so keinem genützt, und Furcht ist ein schlechter Ratgeber. Zürich wird wachsen, wenn nicht völlig Aussergewöhnliiches passiert. Ob mit oder ohne Plan. «Die Stadt» wird das Wachstum – zumindest formal – ebenso verkraften, wie es Frankfurt am Main getan hat, eine Stadt, mit der sie so manches gemeinsam hat.

Ob ganz allgemein eine Stadt ihre eigene Entwicklung, wie es der Artikel formuliert, «verkraften» kann, das ist im Grunde eine völlig andere Frage! Es ist die Frage nach der Identität dieser Stadt. Oder, aus der Innensicht: «Welches Zürich wollen wir?». Und: «wird das dann noch unsere Stadt sein?».

Für «mein Frankfurt» kann ich das, sehr persönlich, beantworten: Das, was ich zuletzt an der Buchmesse in Frankfurt 2021 erlebt habe, ist nicht mehr «mein Frankfurt», ist nicht mehr «die» hessische Grossstadt, die ich in den 80ern und 90ern so faszinierend fand. Ich war beeindruckt, bin aber gerne wieder abgereist.

Aber das heutige Frankfurt hat seine Entwicklung sehr wohl verkraftet: Es ist internationaler, multikultureller und wegen der Art seiner Kriminalität sogar noch gefährlicher, als es einmal war. Aber die «alten Frankfurter», die in den Stadtteil-Kneipen und den kleinen Märkten wie der am Südbahnhof, die haben sich angepasst. Und viele der neu Hinzugekommenen, die reden jetzt auch einfach hessisch, eben «richtisch Frankforderisch».